Sirocco weht durch Düsseldorf und Frankfurt

Das Manchester Collective und Abel Selaocoe bringen einen musikalischen Sturm nach Deutschland.

"Sirocco" ist ein heißer Wind aus südlichen Richtungen, der von der Sahara in Richtung Mittelmeer weht - besser kann man das Projekt des Manchester Collectives zusammen mit Abel Selaocoe nicht beschreiben. Das vielfältige Programm zeigt die Verbindungen zwischen afrikanischer und europäischer Musik auf, zwischen Kehlkopfgesang und Händel, zwischen afrikanischer Perkussion und traditionellen osteuropäischen Volksliedern.

Anfang Juni kamen die Besucher*innen der Tonhalle Düsseldorf auf Einladung des Schumannfests in den Genuss dieses musikalischen Schmelztiegels, gefolgt von einem außergwöhnlichen "Auswärtsspiel" der Alten Oper Frankfurt, das in einem Tram Depot der örtlichen Verkehrsgesellschaft stattfand.

Für die FAZ schrieb Doris Kösterke darüber:

Musik der Herzen

„Auswärtsspiel“ im Straßenbahndepot

Mit den Mitteln der Musik Menschen jeden Alters, mit den verschiedensten Biographien und aus verschiedenen Kulturen zusammenzuführen ist das gemeinsame Ziel des Manchester Collective und der Alten Oper. Bei deren jüngstem „Auswärtsspiel“ ließ das Manchester Collective, ein Streichquartett mit E-Bass (Rakhi Singh, Simmy Singh, Ruth Gibson, Alan Keary), das um den afrikanischen Perkussionisten Sidiki Dembele erweitert war, im Frankfurter Straßenbahn-Betriebshof Gutleut neben den Gleisen zum Hauptbahnhof europäische klassische und traditionelle afrikanische und experimentelle Musik fließend ineinander wirkten.

Hauptperson war der aus Südafrika stammende Cellist Abel Selaocoe. Der Name des von ihm und dem von der walisisch-indischen Geigerin und Klangforscherin Rakhi Singh gegründeten Manchester Collective gemeinsam entwickelten Programms, „Sirocco“, schien wie eine Anspielung auf den Reichtum, den Afrika zu bieten hat – jenseits der von der Industrie begehrten Rohstoffe. Auch auf die afrikanische Trommelkunst samt den Melodien und Glissandi auf der Djembe. Abel Selaocoe thematisierte immer wieder die Herzenswärme. Getragene afrikanische Weisen, mitunter vom gesamten Ensemble mehrstimmig gesungen, waren in der Überzahl, energetische Ausbrüche schienen eher wie die Schatten, die das Licht braucht, um wahrgenommen zu werden. Bei einem besonders leisen und getragenen Lied schienen alle Blicke sehnsüchtig auf die in- und ausländischen Fernzüge gerichtet, die den Hauptbahnhof verließen. Abel Selaocoe ermunterte das Publikum auch zum Mitsingen, indem er mit den Händen die Melodien in die Luft malte.

Das vorwiegend improvisierte Programm gab auch ihm viel Gelegenheit zur virtuosen Handhabung seines Instruments, das er auch mal wie eine Gitarre oder wie eine ­Fiddle klingen ließ. Er sang auch, mit enormer Zungenfertigkeit von einer leuchtenden Falsettlage bis zu finsterstem Taschenfaltenknarren. „Du hast das Wort, und keiner sagt dir, was du sagen sollst“, fasste er das Wesen der Improvisation zusammen. Fast alle der Instrumentalisten sind auch erfahrene Komponisten und wissen mit der Freiheit gut umzugehen.

Immer wieder erstaunlich war die hohe Einigkeit aller Mitspieler. So wirkten vom Cello gegriffene Töne mitunter, als kämen sie aus dem E-Bass. Intensive und lebendige Blickkontakte sorgten beim Interpretieren wie Improvisieren für lebendige Dialoge, beredte Pausen und hellwach gestaltete Überraschungen, etwa da, wo das klassische Klangbild ins Experimentelle aufging.

Im von Rakhi Singh geführten Streichquartett spielten die Violinen und Bratsche im Stehen, was viel zur Steigerung seiner Präsenz beitrug. In klassischen Kompositionen begeisterte es mit großer Dynamik, mitreißender Agogik, herzhaften Konturen und, wo es angezeigt war, mit homogenem Klangbild. Das Publikum dankte mit begeistertem Applaus im Stehen.

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Wir freuen uns auf die nächste Sirocco-Tournee im November 2024:

05.11.2024 Prague Sounds Festival

07.11.2024 Rudolf-Oetker-Halle Bielefeld

08.11.2024 Kölner Philharmonie

09.11.2024 Bozar Brüssel

10.11.2024 Konzerthaus Dortmund